reSISTⒶS

   Als reSISTⒶS 2010 eine vegane, feministische Band gründen wollten, ging es zuerst um diy-Musik bei Soli-Veranstaltungen. Der Hintergedanke war aber von Anfang an, politische Ideen, Veranstaltungen und Aktionen unter einen Hut zu packen, dem Ganzen also einen gemeinsamen Namen zu geben. reSISTⒶS hatten die Vorstellung mehrere Ebenen miteinander zu kombinieren – einerseits Kunst, vor allem Musik, mit der sie in Form von Soli-Konzerten am Häufigsten nach außen hin präsent sind, andererseits die Funktion einer politischen Gruppe, die gemeinsam reflektieren, veranstalten und Strukturen bilden, sowie unterstützen kann; und letztlich ging es ihnen auch darum, den Blog als anonyme Plattform anzubieten für die Erfahrungen und Ideen anderer. Dass reSISTⒶS keine geschlossene Gruppe sein soll, sondern im Gegenteil gerne besucht, bereichert und, egal in welcher Form, unterstützt oder als Struktur genutzt werden möchte, ist dabei sehr wichtig.
Für uns ist es auch logisch, den Schwerpunkt da zu setzen, wo wir selbst direkt betroffen sind und sich quasi täglich die Möglichkeit anbiedert, Widerstand zu leisten oder leisten zu müssen. Wir setzen uns nicht hin und überlegen, auf welche Art wir Lust haben Widerstand gegen das Patriarchat zu leisten. Für tatsächliche Aktionen bleibt eigentlich wenig Raum, da wir meistens damit beschäftigt sind, auf Sexismus zu reagieren .“

reSISTⒶS haben ihren Alltag semi-öffentlich gemacht und versuchen Gemeinsamkeiten mit anderen sowohl in der Verletzung als auch im Widerstand zu finden.

Als und mit reSISTⒶS thematisiert ihr feministischen Widerstand. Was versteht ihr unter dieser Aktionsform und welche politischen Ziele sind Kern eurer Repräsentation?
reSISTⒶS: Wir sind irgendwann unabhängig voneinander mit der linken Szene in Wien in Berührung gekommen, in Folge dessen leider auch mit massiver Repression, wodurch wir quasi genötigt wurden uns über mehrere Jahre hauptsächlich mit Soli-Arbeit zu beschäftigen. Im Laufe der Zeit haben wir uns auch in verschiedenen anderen Zusammenhängen wiedergefunden – Veranstaltungen mit queer- und anarcha-feministischem Schwerpunkt, Aktionen gegen Rassismus, Faschismus und Homophobie, Diskussionen über Tierbefreiung, das hat uns verbunden und irgendwann war klar, dass wir ähnliche Vorstellungen haben bezüglich unserer politischen Ziele. Innerhalb unserer Freund_innenschaft ein Verständnis von Unterdrückungsmechanismen, struktureller Gewalt und sozialen Konstrukten zu erarbeiten schien nicht nur eine politische Verantwortung darzustellen, sondern auch naheliegend, da wir einander – nach wie vor – bereichern und anregen. Dieses Verständnis dann nach außen zu repräsentieren, weiterzugeben und mit anderen gemeinsam zu erweitern, passiert ja sowieso automatisch, wenn du in der Linken unterwegs bist.

Gibt es wiederkehrende Motive, die ihr mit reSISTⒶS thematisiert? Welche sind das?
reSISTⒶS: Auf den Punkt gebracht geht es bei uns inhaltlich eigentlich immer um Gewalt oder Empowerment. Oder anders gesagt: fremdbestimmte Aspekte verschiedenster Lebensrealitäten und dem gegenübergestellt Widerstand, Bedürfnisbefriedigung, Raumnahme oder einfach Überleben.
Gewalthaltige Strukturen finden sich immer da, wo eine Person aufgrund von äußeren Zuschreibungen Unterdrückung erfährt. Sei es kulturell bedingt, aufgrund der Beschaffenheit des Körpers, Hautfarbe, Religion, sexuelle Orientierung oder eben Geschlecht. Der vermeintlichen „Andersartigkeit“, die in erster Linie über eine weiße, männliche Heteronormativität definiert wird, begegnet unsere Gesellschaft mit – auf verschiedenen Ebenen – gewalthaltigen Strukturen, die wir von Geburt an lernen zu reproduzieren und uns in ihnen einzugliedern bzw. anzupassen. Auch dafür, wie diese Anpassung erreicht werden kann, gibt es selbstverständlich Regeln und das alles dient in erster Linie dazu, uns zu beschäftigen und einer Funktion und Position innerhalb der heteronormativen Matrix zuzuordnen.
Gewalt ist auch nicht immer schlecht. Wenn wir sie zur Selbstverteidigung oder Befreiung einsetzen, kann sie essentiell sein. Auch deshalb kann Gewalt nur ein immer wiederkehrendes Motiv sein bei politischen Themen und Praxen.
Raumnahme, nicht nur für uns selbst, sondern für andere oder politisch relevante Themen, und damit verbundenes Empowerment ist wiederum der wahrscheinlich kreativere Aspekt an politischem Widerstand, der hinsichtlich der Beeinflussung oder Bedingung von Dynamiken und Netzwerken effektivere Möglichkeiten bietet als bsw. die alleinige Analyse und Aufbereitung gewalthaltiger Strukturen. Auch das ist ein Motiv, das immer wiederkehren muss.
Und auch wenn es nicht unbedingt ein Motiv ist, sondern viel mehr eine Identität mit politischem Statement – wohin auch die Reise der reSistas gehen wird, wir werden vegane, queere, anarcha-feministische Musikerinnen bleiben.

Warum ist es euch ein wichtiges Anliegen, Grenzüberschreitungen und Grenzverletzungen aufzuzeigen?
reSISTⒶS: Es ist uns nicht direkt ein Anliegen, Grenzverletzungen aufzuzeigen, sondern eher, wie bereits erwähnt, eine Notwendigkeit.
Wir waren mehrere Jahre in einem Freiraum eingebunden und haben unter anderem darüber gelernt, dass übergriffiges Verhalten bei Parties, aber auch innerhalb von vermeintlich antisexistischen Gruppenstrukturen mehr oder minder an der Tagesordnung steht. Diese Strukturen aufzuzeigen und solidarisch zu sein mit Betroffenen ist einfach eine Verantwortung, die sich aus der jeweiligen Situation ergibt und nach der wir dann handeln.
Ernüchternd fanden wir nicht nur die Tatsache, dass permanent Widerstand innerhalb sozialer Netzwerke geleistet werden muss und dadurch unser politisches Engagement vorrangig über Reaktionen darauf definiert wird, sondern vor allem den Umstand, dass all das selten verstanden und meist verborgen bleibt. Texte über diese isolierten Kämpfe, die wir alle an unterschiedlichen Ecken führen, wo sie doch die gleichen sind und immer wiederkehrende Dynamiken, deren Analyse irgendwann durchdringen sollte zu dem Kern des Problems – den Gruppen, Netzwerken, Individuen hinter diesen Dynamiken – solche Texte zu veröffentlichen ist naheliegend ob der ständigen Notwendigkeit und dem Bedürfnis nach geteiltem Leid und gemeinsamen Kampf. Wenn du siehst, wie strukturell auffällig ähnliche Gruppendynamiken immer wieder Betroffene zu einem Störfaktor degradieren, ihre Wahrnehmung absprechen und Kritik ins „Private“ verdrängen, kannst du nicht umher, eine Aufarbeitung zu fordern – sowohl in der jeweiligen Situation, als auch generell in der Linken. Wenn diese nicht kommt, machst du eben den Anfang.
Ausschnitte aus unserem Text „Was, wenn du einer Grenzverletzung beschuldigt wirst?“ legen nahe, warum es wichtig ist, sexistische oder sexualisierte Gewalt und mögliche Konsequenzen daraus aufzuzeigen.
Gerade, weil die Aufarbeitung von Grenzverletzungen immer an den Betroffenen und gegebenenfalls Unterstützer_innen hängen bleibt und Täter* allenfalls irgendwann negative Konsequenzen spüren, haben wir 2012 angefangen, uns an Täterarbeit heranzuwagen.     Ein negativer Aspekt daran ist leider, dass unsere politische Arbeit dadurch weitgehend verborgen bleibt.

Grenzverletzungen und sexuelle Gewalt gehören zur Lebensrealität von Frauen. Dennoch ist es euch auch wichtig, sich mit den Verursachern auseinanderzusetzen. Warum ist diese Form von Empathie notwendig und welches Ziel soll damit erreicht werden?
reSISTⒶS : Erstmal würden wir weniger von „sexueller Gewalt“ sprechen, sondern eher von „sexualisierter Gewalt“, da der erste Begriff aus der Perspektive des Täters* kommt bzw. über den vermeintlichen Wunsch nach Befriedigung seiner Sexualität definiert wird. Dass Übergriffe nicht immer primär, manchmal gar nichts mit sexueller Befriedigung des Täters* oder eben erst recht nichts mit konsensorientierter Beteiligung der Betroffenen hinsichtlich ihrer Sexualität zu tun haben, sondern viel mehr mit Bemächtigung und Kontrolle des Täters*, sollte eine Basis für jede Auseinandersetzung mit der Thematik sein. Der Begriff „Sexualisierung“ im Kontext der Gewalt beschreibt genau diesen Vorgang, in dem ein gewalthaltiger Übergriff zu einem (täter)sexualitätsorientierten Vorgang wird, Indikatoren, Mechanismen und Strukturen oftmals verschleiert und Konsequenzen für die Betroffene relativiert werden bzw das Verhalten des Täters* sogar entschuldigt wird. Mediale Begriffe wie „triebgesteuert“, „Triebtäter“ oder „Sexstrolch“ zeigen wie die Sexualität des Täters* in den Mittelpunkt geschoben und seine Eigenverantwortung bezüglich einer aktiven Handlung weggenommen wird. Im gleichen Kontext fällt auch häufig die Bemerkung ein Übergriff sei „passiert“ bzw. wird Gewalt an Frauen* auch einfach erwartet und hingenommen mit der Begründung, die Betroffene sei „selbst schuld“, wenn sie sich bspw. in Situationen begebe, die gesellschaftlich gesehen einen Übergriff an ihr legitimieren oder sogar fordern.
Die Frage, warum eine Auseinandersetzung und Empathie gegenüber Tätern* notwendig sei, muss differenziert betrachtet werden. Wir denken nicht, dass Betroffene irgendeine Bringschuld oder Verantwortung gegenüber Tätern* haben oder aber generell, dass Frauen* sich in einer patriarchalen Gesellschaftsstruktur überhaupt mit Männern/Männlichkeit auseinandersetzen müssen. Wir sehen aber auch, dass eine reflektierte Aufarbeitung des Täters* seines eigenen Verhaltens viel ändern würde für die Konsequenzen einer Grenzverletzung, wie sie die Betroffene erlebt. z.B. kann der Täter erheblichen Einfluss nehmen auf das Umfeld und soziale Kontakte der Betroffenen oder aber die Einhaltung von Forderungen praktischer umsetzen, wenn er dabei im Zuge der Täterarbeit unterstützt wird. Auch kann die Anerkennung der Wahrnehmung der Betroffenen einen wesentlichen Unterschied für ihren Umgang mit der Gewalterfahrung machen, sowie nach außen hin Zeichen setzen, dass der Respekt vor Wahrnehmungen und Erleben anderer essentiell ist.

Auf eurer Homepage bietet ihr auch einen Text als Leitfaden(1) für Täter* an…
reSISTⒶS: Unser Text „Was, wenn du einer Grenzverletzung beschuldigt wirst“ ist nicht nur als Leitfaden für Täter* zu verstehen, sondern zielt auch auf Präventivmaßnahmen gegen gewisse Dynamiken ab, die oft nach einer Grenzveretzung entstehen und von einer relativierenden, „Schuld“ von sich weisenden Haltung des Täters* begünstigt werden. Mal angenommen, du konfrontierst eine andere Person mit einer von ihr begangenen Grenzverletzung und die Reaktion ist geprägt von Anerkennung deiner Wahrnehmung, sowie Bereitschaft zur Unterstützung und Reflexion. Dann ist zumindest die Möglichkeit von Mehrfachbelastung als weitere Konsequenz der Grenzverletzung geringer und das macht schon einen erheblichen Unterschied. Wenn ein Täter* darauf behaart, er habe doch „nichts getan“, blendet er damit einfach die Wahrnehmung der Betroffenen* komplett aus, sein Verhalten ist somit weiterhin gewalthaltig und ihr* bleibt auch gar nichts anderes übrig, als weiterhin auf seine* Gewalt, Ignoranz und Respektlosigkeit reagieren zu müssen. Dadurch ist ein wichtiger Aspekt der Täterarbeit, gemeinsam mit dem Täter über sein Verhalten zu reflektieren und ihn dabei zu unterstützen, die begangene Grenzverletzung anzuerkennen.
Ein weiterer Aspekt bei der Frage um Auseinandersetzung ist die simple Weiterexistenz des Täters*, in demselben oder möglicherweise anderem Umfeld. Raumausschlüsse sollen der Betroffenen Raum wiedergeben, den sie durch Taten und Präsenz des Täters verloren hat bzw. sie auch vor weiteren Übergriffen oder möglicher Retraumatisierung schützen.
Die weiterbestehende Gefahr, die von diesem Täter ausgeht, wird dadurch aber in ein anderes Umfeld verlagert und nicht eliminiert. Täterarbeit ist allein deshalb ein emanzipatorisch wichtiger Schritt hin zur Entwicklung gesellschaftlich notwendiger Strukturen für einen reflektierteren und solidarischeren Umgang miteinander.
Die von uns zum Ausdruck gebrachte Empathie gegenüber Tätern* darf aber nicht verwechselt werden mit einem relativierenden oder tätersolidarischen Umgang, sondern baut viel mehr auf dem Wissen um mögliche soziale Isolierung des Täters* nach einem Szeneausschluss, der – mal ganz abgesehen von der Belastung des Täters* – gefährlich werden kann für die  Wiederherstellung physischer und psychischer Unversehrtheit der Betroffenen, da seine Überforderung zu weiteren Angriffen führen kann.

«Ein Aspekt der Gewalthaltigkeit übergriffiger Situationen, ist, dass Austausch mit anderen oft verunmöglicht wird.»

Darüber hinaus habt ihr einen Fragebogen bereit gestellt(2). Was geschieht mit den anonymisierten Ergebnissen und welche Möglichkeiten ergeben sich aus den Fragebogen?
reSISTⒶS: Mit Aufbau des Blogs haben wir auch an der Bereitstellung eines Fragebogens gearbeitet, der mehrere Funktionen hätte erfüllen sollen. Einerseits ging es uns darum, strukturellen Sexismus besser zu verstehen, dh. Material zu haben, an Hand dessen wir in der Gruppe herausarbeiten konnten, wie bsw. diese immer wiederkehrende Gruppendynamik aufgebaut ist, die oft als Zusatzbelastung zu einer Grenzverletzung dazu kommt, sobald diese zumindest semi-öffentlich wird.
Außerdem hätte es eine Möglichkeit sein sollen für Betroffene, aber auch Täter* und Personen, die gewalthaltige Situationen oder Dynamiken begünstigen, ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen oder aber durch gezielte Fragen neue Ansätze für ihren Umgang und ihr Verständnis des eigenen Verhaltens oder das anderer zu finden.
Wenn du allein gelassen bist mit den Konsequenzen einer Grenzverletzung, weil Unterstützer_innen fehlen oder du nicht darüber reden kannst, fehlt selbstverständlich Input, sei es zur eigenen Auseinandersetzung oder Erlangung spürbarer Solidarität. Die Möglichkeit, eine Gewalterfahrung über den Austausch mit anderen aufzuarbeiten, kann wichtig sein. Ein Aspekt der Gewalthaltigkeit übergriffiger Situationen, ist, dass Austausch mit anderen oft verunmöglicht wird. Das gilt in erster Linie für Betroffene, aber auch Tätern* fehlt es sicherlich an Strukturen, die sie in einer selbstkritischen Aufarbeitung unterstützen können. Wir haben daher Fragestellungen eingebaut, ob Emailkontakt gesucht oder Hilfe benötigt wird.
Letztlich sollte auch die Veröffentlichung von Fragebögen Einblick geben in die Erfahrungen anderer. Zu sehen, dass wir nicht allein sind mit unserer Situation, bedeutet Empowerment und Vernetzung auf verschiedenen Ebenen.
Leider erhielten wir Beantwortungen, die einerseits angaben, dringend Hilfe zu brauchen, andererseits keine Kontaktmöglichkeit hinterließen. Diese Situation wurde irgendwann so belastend für uns, dass wir den Fragebogen wieder vom Netz nehmen mussten. Eine Erlaubnis, die Antworten online zu stellen, war bis zu diesem Zeitpunkt nicht erteilt worden. Deshalb haben momentan nur wir Zugang zu diesen Bögen, die ausschließlich zur gruppeninternen Reflexion benutzt wurden.

Inwiefern könnt ihr Personen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, Hilfsangebote geben, ihr Trauma zu bewältigen?
reSISTⒶS: Die Frage nach Aufarbeitung eines Traumas ist immer schwierig. Wir haben zum Beispiel starke Kritik an dem Konzept „Psychiatrie“ oder generell an der Einordnung von Personen in Krankheitsbilder. Wir halten auch nicht viel von Begriffen wie „Gesundheit“ oder „Heilung“, weil sie implizieren, dass es eine richtige Art gibt, wie wir innerhalb unserer Gesellschaft funktionieren sollen, damit wir als gesund gelten. Dementsprechend müsste es dann auch eine falsche Art geben und das sehen wir anders. Jede Betroffene hat einen individuellen Umgang mit erlebter Gewalt und egal, wie dieser aussieht, das ist in Ordnung. Die Entstehung eines Traumas ist zB. eine Form des Umgangs unseres Körpers mit Erfahrungen, die nicht verarbeitet werden können. Medizinisch gesehen bedeutet das, unser Körper funktioniert nicht so wie erwartet, also nicht „richtig“, wobei wir es eigentlich überlebensorientiert und sehr beeindruckend finden, wenn das Gehirn Erfahrungen seperat abspeichert und den Zugang (teilweise) blockiert, damit wir nicht an einem Schock sterben.
Abgesehen von unserem Überdruss, ständig einer Funktion zugeordnet zu werden, kann eine Therapie selbstverständlich wichtig sein und Unterstützer_innen- oder Täterarbeit sind zwar emanzipatorisch wichtige Konzepte, die Gewaltausübung von Seiten des Täters* beenden und Betroffenen Raum zur Aufarbeitung, Eigenbemächtigung und Wiederherstellung von Integrität geben können, ersetzen aber keine Therapie. Wir setzen uns auch nicht mit einer Betroffenen zusammen und erzählen ihr, welche Schritte sie befolgen muss, um ein Trauma zu bewältigen, denn dafür gibt es keine Anleitung, allenfalls Hilfestellungen. Viel mehr versuchen wir Solidarität zu vermitteln, ihr* vermeintliche Verantwortung und unter Umständen die Konfrontation mit dem Täter* abzunehmen. Wir lassen uns lieber von ihr* erzählen, was sie braucht und versuchen dementsprechend ihre* Bedürfnisse umzusetzen. Eine Hilfestellung sowohl in der Unterstützer_innen- als auch Täterarbeit ist meist, gemeinsam die Ereignisse und Strukturen dahinter aufzuarbeiten. Denn es bleibt ja nicht bei der oder der/den Situation/en der Grenzverletzung, sondern diese ziehen weitreichende Konsequenzen und Dynamiken nach sich, die eine Betroffene Monate bis Jahre beschäftigen können. Dem Täter gezielt aufzuzeigen, was das bedeutet, kann nicht nur an Formulierungen scheitern, sondern schlicht an der Schwierigkeit, sexistische Strukturen zu benennen. Hier mitzuwirken kann eine Hilfestellung sein der Betroffenen den Raum zu verschaffen, den sie benötigt, um ein Trauma aufzuarbeiten. Letztlich kann aber nur geholfen werden, Rahmenbedingungen zu schaffen und Mehrfachbelastungen zu verringern. Die Aufarbeitung eines Traumas liegt bei der Betroffenen selbst, insofern sie das möchte.
Das Verbreiten von Notfallhotlines oder die Vermittlung von Therapieplätzen, Aufbau einer Unterstützerinnengruppe, diverse Kostenübernahmen, Spendenaktionen für Betroffene, sichtbare Solidarität in Form von Veranstaltungen, Veröffentlichungen oder Tätergesprächen, Gesprächen mit dem Umfeld etc, sind ebenso Hilfestellungen.

Welche Hilfen wären in diesem Kontext sinnvoll und notwendig, die Kontrolle über das Leben und die sozialen Zusammenhänge wieder zu gewinnen?
reSISTⒶS: Dadurch, dass Übergriffe immer mit Fremdbestimmung und Bemächtigung zu tun haben und das Umfeld diese Vorgänge meist auch noch reproduziert, ist der Versuch sinnvoll, die Entscheidungsgewalt der Betroffenen über persönliche Belange zurückzuholen. Ein Konzept, das aus diesem Grund in Wien sehr stark präsent ist und dennoch selten verstanden wird, ist Definitionsmacht. Bei Defma geht es nicht darum, der Betroffenen Macht, zB. über den Täter, zu geben, sondern um die Rücknahme der Macht, die er ihr durch sein Verhalten genommen hat, zB ihre Entscheidungsgewalt in Bezug auf sich selbst. Und es geht darum, dass sie selbst definieren kann, dass eine Grenzverletzung stattgefunden hat, denn – abgesehen von der Wahrnehmung des Täters* und abseits der unmöglichen Suche nach „objektiver Wahrheit“ – für die Realität der Betroffenen muss Raum da sein und ihr Erleben darf nicht relativiert werden. Als Unterstützer_innengruppe kann ein Übergriff öffentlich gemacht werden und/oder dem Täter* Forderungen übermittelt werden, die dafür sorgen, dass die Betroffene Orte hat, wo sie sicher sein kann, nicht auf den Täter* zu stoßen. Die Unterstützer_innengruppe übernimmt oftmals die Kommunikation nach außen bzw. mit dem Täter, weil eine Betroffene wahrscheinlich überfordert ist oder auch (weitgehend) anonym bleiben möchte. Das Auftreten einer Gruppe kann ein leider notwendiges Signal nach außen sein, dass Einigkeit zwischen mehreren Menschen besteht bezüglich der Existenz einer Grenzverletzung und die Betroffene ist weniger angreifbar als alleine. Auch kann in der Gruppe mehr Druck aufgebaut werden, um Forderungen durchzusetzen. An dieser Stelle würde die Täterarbeit die Funktion übernehmen, dem Täter* bei der Umsetzung der Forderungen zu helfen. Leider fehlt es aber an genügend Strukturen, als dass Täterarbeit ein konsequenter Bestandteil betroffenenunterstützender Maßnahmen wäre.
Was leider von Unterstützer_innengruppen nicht verhindert werden kann, ist der oftmals tätersolidarische Umgang des sozialen Umfeldes des Täters* und/oder der Betroffenen, das nicht selten zu Mobbing führt, die Betroffene isoliert zurücklässt und eine Herstellung der Integrität verunmöglicht. Gerade deswegen liegt ein Fokus in der Täterarbeit bei der Beeinflussung dieser Dynamiken über den Täter. Ihn dazu zu bringen, die selbe Linie zu vertreten wie die Betroffene bzw. Gossip und betroffenenfeindliche Statements nicht zu unterstützen, kann verhindern, dass sie aus sozialen Zusammenhängen ausgeschlossen wird. Leider haben wir auch schon erlebt, dass selbst der Täter* mit seiner Bitte um Solidarität mit der Betroffenen ignoriert wurde. Eigentlich kaum vorstellbar, dass sich solche Dynamiken in linken Zusammenhängen entwickeln können, aber es zeigt umso mehr, wie wichtig es ist, Betroffene nicht allein zu lassen mit den Konsequenzen von Grenzverletzungen.

Formen der Sexualisierung, die teilweise ästhetisch auf pornografische Darstellungsmuster zurückgreifen, spielen eine wesentliche Rolle in Castingshows und anderen Formen des Reality-TV. Welche Auswirkungen haben die physischen und emotionalen Enthüllungen für Jugendliche, die die zunehmende visuelle Darstellung von Nacktheit akzeptierten?
reSISTⒶS: Um das gleich mal vorweg zu nehmen – wir haben kein Problem mit Pornographie oder Nacktheit, wenn dann eher mit dem gesellschaftlichen Umgang Körper betreffend.
Nacktsein ist ein Tabubruch. Den eigenen Körper an bestimmten Stellen zu berühren oder auf gewisse Art zu bewegen ist obszön außerhalb des Schlafzimmers und unserer monogamen Heterobeziehungen, und wehe Frauen* ziehen sich nicht nach gewissen Maßstäben an, dann sind sie entweder „prüde“ oder aber „willig“, „eicht zu haben“ und „fragen danach“, Übergriffen ausgesetzt zu sein. Den Körper von Frauen* schützen zu müssen, um quasi den „Wert“ des Konstrukts „Weiblichkeit“ nicht zu mindern, ist Resultat und Stützpfeiler eines patriarchalen Systems, das auf männlichen Bedürfnissen aufgebaut ist und Frauen* in Kategorien zur unterschiedlichen Befriedigung dieser Bedürfnisse einteilt. Und der eben erwähnte “Wert” der Frau* definiert sich selbstverständlich über die Funktionalität für den Mann* bzw. das patriarchal geprägte System. Da haben wir dann bspw. die Sexarbeiterin oder Tänzerin, die sich sehr wohl ausziehen dürfen. Aber diese stellen kein optimales “Beziehungsmaterial” dar, sind sie doch schon “gebraucht”, wie es so schön heißt. Sie bieten eher eine legitimiertere Projektionsfläche für Gewaltphantasien und erfahren diese dadurch auch häufiger. Dann werden wir noch eingeteilt in “hässliche Frauen”, “Durchschnittsfrauen” und “Traumfrauen”, die auch mit Hilfe von Körperformern, Make-Up, Ernährungsplänen, Schönheits-OPs, Computerbearbeitungsprogrammen und letztlich medialer Darstellung das Ideal setzen sollen. Weitere Kategorien wären “alt” und “jung” und sogar in sogenannte “rassische Vorlieben” werden Frauen* eingeteilt, aber diese Kategorisierungen gehen sowieso weiter und weiter, um die Latte an Ansprüchen immer höher zu legen, die letzlich nur männliche Bedürfnisse befriedigen sollen. Und alles, was nicht in Mainstreamkategorien passt, wird zum Fetisch erklärt. An dieser Stelle sei erwähnt, dass durchaus auch Männer* sich unwohl fühlen mit Erwartungshaltungen bezüglich ihrer Rolle in der Gesellschaft, es ist aber die Geschlechterhierarchie die noch mal einen wesentlichen Unterschied macht bei den verschiedenen Rollenfunktionen und Folgeerscheinungen dieser Kategorisierungen. So verwenden Frauen* nicht nur ein immenses Pensum an Zeit, um ihrer Rolle zu entsprechen, sondern werden häufig auch krank oder sterben sogar als Folgeerscheinung von Anpassungsversuchen.
Sexualisierung wäre generell nichts verwerfliches, doch im Kontext der Geschlechterverhältnisse und mit der Objektmachung weiblicher Körper, ist Sexualisierung meist gewalthaltig und reproduziert patriarchale Strukturen. Jungen Mädchen wird nahegelegt, ihren Körper zu präsentieren und bewerten zu lassen und ihr Selbstverständnis über die Bedürfnisse der Jungs zu definieren, die wiederum lernen, Sexualität zu konsumieren – mit oder ohne Einverständnis.
Physische und emotionale Enthüllungen im Fernsehen arbeiten mit einem Schamgefühl als Folgeerscheinung sexistischen Perfektionsstreben und der damit verbundenen Entwertung und Erniedrigung der Beteiligten. Wir lernen daraus, dass Machtausübung und Unterdrückung anderer die eigene Situation weniger ohnmächtig erscheinen lassen, da die Unzulänglichkeit der Entscheidungsgewalt über eigene Belange durch abwertendes Fremddefinieren anderer gefühlsmässig ausgeglichen werden kann.
Wir würden aber weniger von einer „Akzeptanz“ der Jugendlichen sprechen, sondern mehr von einer Anpassung innerhalb schwer durchschaubarer patriarchaler Dynamiken und Strukturen, deren Aufbrechen oder Überwindung nicht möglich scheint.

Welche Strategien können entwickelt werden, diese Inszenierungsmuster und die medial repräsentierten Rollenbilder umzukehren?
reSISTⒶS: Einerseits kann versucht werden Rollenbilder zu verändern, indem entgegen der Erwartungen gehandelt wird, wodurch „Weiblichkeit“, sowie „Männlichkeit“ andere Assoziationen erlangen. Dieser Ansatz entspricht auch der gesellschaftlichen Entwicklung bezüglich Geschlechterrollen, der durch Erweiterung geschlechterspezifischer Zuschreibungen Frauen* endlich ermöglichte zu wählen oder Berufe auszuüben.
Andererseits kann auch versucht werden, das Konstrukt der Heteronormativität komplett zu zerlegen und Kategorien wie „männlich“ und „weiblich“ gänzlich aufzulösen. Dieser Ansatz würde auch die Existenz anderer Gender nicht verschleiern. Verschiedene Umsetzungsversuche können in der queerfeministischen Szene beobachtet werden.
Die Schwierigkeit bei der Entfernung von Gewalthaltigkeit aus sexualisierter Darstellung liegt vor allem daran, dass die Gewalt von der beobachtenden Position ausgeht und weniger von der darstellenden. Möglich ist, die sexualisierte Darstellung von Nacktheit und Körper selbstbestimmter zu gestalten oder bewusst Bezug zu nehmen auf Erwartungen, die an Körper, Nacktheit und Sexualität gestellt werden, wodurch strukturell bedingten Wahrnehmungen solcher Darstellungen entgegengewirkt wird oder diese geändert werden können. Peaches( 3 ) ist bsw. eine feministische Musikerin, die Körperlichkeit und körperliche Funktionalität thematisiert und damit gegen die an sie gestellte Erwartungshaltung arbeitet.
Ebenso gibt es mit dem „PorYes“( 4 ) bereits seit 2009 ein europäisches Gütesiegel für feministische Pornos und in diesem Zusammenhang die Auszeichnung „Auster“, die an Filme vergeben wird, die bestimmte Kriterien erfüllen, wie bsw. Konsens als Basis sexueller Handlungen, Sichtbarkeit bezüglich des Respektes von Grenzen der Darsteller_innen, Safer Sex und aktive Beteiligung von Frauen*, sowohl bei der Handlung des Films, als auch hinter der Kamera. Wir finden feministische Pornos wichtig für eine Änderung des gesellschaftlichen Blickwinkels auf Pornographie und die Rolle der Frauen* darin, da Mainstream-Pornos die Erwartungshaltung an Frauen* reproduzieren, auf die Sexualität der Männer* Bezug zu nehmen und auch ihre eigene darüber zu definieren. Außerdem liegt der Fokus feministischer Pornos auf Diversität und dem Bemühen, nicht nur normierte Körper zu zeigen.

In einem anonymisierten Text („Wandelndes Alarmsignal“) konsterniert die Autorin, es bereut zu haben, anderen von der erlebten Vergewaltigung erzählt zu haben. Haltet ihr das auch für einen Fehler?
reSISTⒶS: Nein, als „Fehler“ können wir eine Veröffentlichung oder Weiterkommunikation von erlebten Gewalterfahrungen nicht bezeichnen, da nur die Betroffene entscheiden kann, welchen Umgang sie damit findet und ob es in Ordnung ist, wenn andere davon wissen oder eben nicht.
Leider kommt es vor, dass einige Personen ein in sie gesetztes Vertrauen enttäuschen indem sie zB. im direkten Gespräch nicht der Situation entsprechend reagieren, relativieren oder hinterher dazu beitragen, dass Gossip entsteht, wodurch die Betroffene die Kontrolle darüber verliert, von wem und vor allem wie über ihre Erfahrungen gesprochen wird.
Aber die Autorin spricht ja auch in besagtem Text weder davon, Kommunikation darüber zu bereuen, noch bezeichnet sie das Teilen ihrer Erfahrungen als „Fehler“. Ihre Wut richtet sich vor allem gegen spezifische Reaktionen und eine Dynamik im Umfeld, die sich scheinbar entwickelt und bei ihr das Gefühl hinterlassen hat, „ansteckend“ zu wirken. Gleichzeitig äußert sie aber auch ihre Bedürfnisse hinsichtlich eines Umganges anderer Personen mit ihr und ihrem Erleben, die darauf schließen lassen, dass eine unterstützende Auseinandersetzung durchaus ihr Wunsch wäre.

«Sexismus wird ja grundsätzlich als individueller Einzelfall verstanden und nicht als strukturell.»

Des Weiteren liefert ihr Anregungen, wenn eine Person jemand mit einer Grenzverletzung konfrontiert. Welche eigenen Erfahrungen im Umgang mit Grenzverletzung habt ihr gemacht und was hat euch geholfen, diese zu bewältigen?
reSISTⒶS: So wie jede Person, die als Frau’* sozialisiert wurde, sind wir auch ständig mit gewalthaltigen, sexistischen Situationen konfrontiert. In der Linken unterwegs zu sein macht dabei höchstens einen Unterschied im Ausdruck.
Wir haben selbstverständlich auch Übergriffe erlebt und unter anderem darüber ein Verständnis für die Thematik erarbeitet. Unser Umgang damit unterscheidet sich aber sicher nicht von dem anderer Betroffener und war über die Jahre genauso vielfältig, kreativ, selbstzerstörerisch oder widerständig.

Im vorletzten Jahr habt ihr ein Straßenfest gegen Männergewalt(5)organisiert. Findet ihr, dass Männergewalt kein übermäßig weit verbreitetes öffentliches Thema ist und welche Gründe sind dafür ausschlaggebend?
reSISTⒶS: Der Begriff „Männergewalt“ beschreibt Gewalt, die von Männern ausgeht und systemstützend wirkt. Weit verbreitet ist gesellschaftlich gesehen weder der Begriff, noch ein Verständnis dafür. Aber auf der Ebene halbstaatlicher oder geförderter Frauenhilfsorganisationen und innerhalb von Aggressionsbewältigungsprogrammen für Männer hat sich der Begriff bereits durchgesetzt. Es findet also sehr wohl außerhalb der Linken eine Auseinandersetzung mit „Männergewalt“ statt, jedoch läuft die Thematisierung oft auf eine Stützung der hegemonialen Männlichkeit hinaus, indem eine Abgrenzung zwischen “guten Männern” und Tätern* vollzogen wird, die kaum etwas mit der Realität zu tun hat. Daraus resultierend wird Gewalt unsichtbar gemacht, sobald gewalttätiges Verhalten nicht als „passende“ Eigenschaft für einen spezifischen Mann verstanden wird, der ja z.B. „ansonsten eh lieb“ ist. Die Ausübung von Gewalt muss vorstellbar bzw. „objektiv“ nachvollziehbar sein, damit Aussagen von Betroffenen nicht delegitimiert werden. Dabei wird unter anderem ausgeblendet, dass eine objektive Beurteilung der Wahrnehmung einer anderen Person gar nicht möglich ist.
„Männergewalt“ bedeutet aber auch, dass jeder Mann* aufgrund des Zusammenspiels seiner Sozialisierung, Machtposition innerhalb der Geschlechterhierarchie und sexistischen Strukturen, die ihm als Werkzeug dienen, ein potentieller Täter* ist und als solcher auch die Verantwortung hat, seine Privilegien, sein Verhaltensmuster und seine Intentionen zu reflektieren.
In der Gesellschaft will sich aber kein Bewusstsein für diesen Umstand einstellen. Sexismus wird ja grundsätzlich als individueller Einzelfall verstanden und nicht als strukturell. Alle Männer* als potentielle Täter* zu bezeichnen stößt leider sogar in der Linken immer noch auf Widerstand. Dabei will diese Aussage gar nicht als Vorwurf verstanden werden, sondern soll lediglich die Verantwortung aufzeigen, die männliche Sozialisierung mit sich bringt.

Welches Fazit habt ihr nach dem Straßenfest ziehen können?
reSISTⒶS: Die Vorbereitungen waren unglaublich viel Arbeit und am Straßenfest selbst hatten wir keine ruhige Minute. Eine Person hatte 34 Stunden nicht geschlafen. Aber es hat uns schon sehr bereichert zu sehen, was wir alles geschafft haben umzusetzen, während wir gleichzeitig Steine in den Weg gelegt bekamen und das Straßenfest zB beinahe abgesagt werden musste. Es kamen auch nicht so viele Besucher_innen wie erwartet, da der Veranstaltungsort kurzerhand verschoben werden musste. Und so haben wir schon gemerkt, dass mit allen Mitteln versucht wird, Veranstaltungen gegen Männergewalt zu verhindern.
Aber wir haben auch viele Solidaritätsbekundungen erhalten, wie bsw. kostenlose Verpflegung und viele, viele Tombolapreise. Auch, dass wir diese Solidarität an Betroffene in Form einer Spendensammlung weitergeben konnten, hat das Straßenfest zu einem Erfolg gemacht.

DIY-feministischen Gruppen weisen oft einen wachsenden Hang zur Erlangung von Privilegien auf. Hat jede Subkultur ihre Grenzen?
reSISTⒶS: Es ist ein generelles Problem, dass linke Strukturen, die anfangs eine emanzipatorische Zielsetzung hatten, auf erkämpften und notwendigen Positionen stagnieren, um letztlich in dogmatische Ausübungsmuster zu verfallen. Unter anderem aus Angst, gruppeninterne Verhaltensregeln, die ursprünglich mühsam reflektierter Konsens aus emanzipatorisch wichtigen Auseinandersetzungen waren, könnten gekippt werden und dies würde einen Rückschritt bedeuten. Das ist ein Grund für die Bildung von Hierarchien, die sich an gruppeninternen Regeln orientieren. Wobei wiederum Partizipierende je nach Stellung innerhalb der Hierarchie mehr oder weniger Einfluss auf den sogenannten „Konsens“ haben.
Bei all der Kritik, die wir an linken Strukturen haben, sehen wir trotzdem die Notwendigkeit, gewisse Privilegien zu erlangen. Es ist wichtig, Personen ausschließen zu können, die mit sexistischem, homophoben oder rassistischen Verhalten selbst Macht ausüben und Unterdrückung reproduzieren. Sich aus einer unterdrückten Position heraus zu stärken und bemächtigen muss möglich sein und dementsprechende Strukturen müssen aufgebaut werden. Ein Empowerment auf Kosten von Personen, die den Szenecode nicht kennen, weniger Ressourcen zu politischer Arbeit haben oder selbst Mehrfachbelastungen ausgesetzt und daher weniger funktional für die Gruppe sind, verfehlt dieses Konzept aber sichtlich.

Wie schlagen sich die Ungleichheiten in der Gesellschaft auf die Zugänglichkeit der DIY-feministische Szene nieder?
reSISTⒶS: Um in einer Politszene aktiv zu sein und sich zu organisieren, brauchst du Ressourcen, wie bsw. Geld, Zeit, Zugang zu Informationen und Strukturen, sowie Energie, sich mit etwas anderem auseinanderzusetzen als Existenzerhaltung. Lebst du bsw. in der Illegalität hat staatliche Repression noch mal eine andere Bedeutung. Oder wenn du nicht nur für dich selbst verantwortlich bist, sondern zB. für den Erhalt einer Familie, überlegst du dir Zeitinvestition in oder mögliche Konsequenzen von politischer Arbeit mehrmals, bevor du dich irgendwo engagierst.
Es wird nach außen hin zumindest ein Versuch kommuniziert, barrierefreie Zugänglichkeit zu schaffen, aber zu funktionieren scheint das nicht, sind profeministische wiener Szenen doch auffällig von westeuropäisch weißen, jungen, mehr oder weniger „gesunden“ und akademischen Aktivist_innen dominiert. Wir haben den Eindruck, in der F.L.I.T(/Frauen-Lesben-Inter-Trans)-Szene wäre mehr Diversität vertreten, können aber keine Analyse zu Gründen oder Faktoren liefern.
Uns selbst nehmen wir dabei aber auch nicht aus von der Kritik. Weiter zu reflektieren, gewalthaltige Strukturen aufzubrechen und Barrieren zu sprengen sehen wir als eine Verantwortung an, die wir weiterhin wahrnehmen möchten.

http://resistas.blogsport.eu

Anmerkungen:
(1) http://resistas.blogsport.eu/?page_id=115#1
(2) http://resistas.blogsport.eu/?page_id=146
(3) http://www.zeit.de/2003/40/Peaches
(4) http://poryes.de/
(5) http://resistas.blogsport.eu/?p=423