ADELANTE Oldenburg – antirassistisches Fanprojekt

   Adelante bedeutet so viel wie “Voran!” und ist eine kleine Gruppe von Leuten mit Anspruch und Zielsetzung, die Oldenburger Fanszene nach vorne zu bringen und dabei kritisch zu reflektieren. Sie wollen nicht etwa eine Elite der Fanszene darstellen, sondern vielmehr als Triebfeder für nötige bzw. wünschenswerte Veränderungen agieren.
Das Interview beantwortet haben Böller und Revo.

ADELANTE ist eine antirassistische Fangruppe, die als “Triebfeder für nötige/wünschenswerte Veränderungen agiert”. Welche Veränderungen sind angestrebt und bereits umgesetzt worden?
Um diese Frage beantworten zu können, muss man zunächst etwas zurück blicken:
nachdem der VfB Oldenburg im Jahr 2004 in die Niedersachsenliga (5.Liga) abstieg, in der ersten Saison den direkten Wiederaufstieg verpasste und sich nach der Hinrunde der Saison 2005/06 auf dem 10. Platz und somit hinter den direkten Stadtrivalen aus Bürgerfelde befand, schien der Verein sportlich als auch fanszenentechnisch am Tiefpunkt angelangt zu sein. Viele Zuschauer kehrten dem VfB den Rücken oder gingen nur noch zu Spielen der zweiten Mannschaft, anstatt sich für 6 Euro ein lustloses und frustrierendes Gekicke anzuschauen. Innerhalb unseres Blockes (Block J – auch „Area 97“ genannt) herrschte Totenstimmung. Kaum einer war noch motiviert die eigene Mannschaft anzufeuern oder sich an Aktionen (z.B. das Erstellen von Choreographien) zu beteiligen. Viele zog es statt dessen zum „großen Bruder“ nach Bremen und vor allem Jugendliche, die es zu motivieren galt, mieden den Gang ins Marschwegstadion. Mit diesem Zustand wollten sich jedoch nicht alle abfinden und somit unternahmen einige den bis dato vielleicht letzten Versuch der Oldenburger Fanszene neues Leben einzuhauchen und gründeten das Adelante. Der Block sollte optisch wieder bereichert werden, also traf man sich in den Räumlichkeiten des Fanprojektes und malte neue Doppelhalter-Schwenkfahnen sowie eine riesengroße Zaunfahne, welche sich heute immer noch vor unserem Block befindet und einen hohen Wiedererkennungswert hat. Auch neue Gesänge dachte man sich aus, die mensch sich auch auf unserer Homepage in der Liderfidel durchlesen kann. Man muss zu alledem sagen, dass ohne das Fanprojekt, welches von dem Dachverband Oldenburger Faninitiative ( OFI ) getragen wird, die Fanszene zu dem damaligen Zeitpunkt wahrscheinlich ausgestorben wäre. All diese Faktoren sowie die plötzlich wieder einkehrenden sportlichen Erfolge der Mannschaft sorgten dafür dass plötzlich wieder neue Gesichter in unserer Kurve anzutreffen waren. Gegen Ende der letzten Saison stießen vor allem Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren dazu, die von uns erfolgreich in die Fanszene integriert wurden und sich inzwischen zu einer eigenen Gruppierung (Youth United) zusammen geschlossen haben. Gemeinsam führen wir während der Spiele unsere Aktionen durch. Somit haben wir das Ziel, die Oldenburger Fanszene wieder zu beleben, erreicht, was jedoch nicht heißt, dass wir mit der jetzigen Situation zufrieden sind. Eine Fanszene muss sich schließlich immer zum positiven weiterentwickeln. So ist es uns zum Beispiel wichtig noch mehr Leute im Block zum mitsingen zu animieren und für unsere Sache zu begeistern.
Darüber hinaus verfolgen wir noch weitere Ziele: wie du bereits erwähntest, verstehen wir uns als eine Fangruppierung mit anti-rassistischem Grundverständnis. Dies zeigt sich darin, dass wir versuchen rassistische Sprüche und Gesänge in unserem Block zu unterbinden. Dies gelingt uns auch weitesgehend. Auch in Punkto Kommerzialisierung, deren Leidtragende meistens die Fans sind beziehen wir eindeutig Stellung. Es ist erschreckend mit anzusehen, wie weit der Vermarktungswahnsinn schon in der Oberliga bei uns Einzug bei uns erhalten hat: Zwar braucht unser Verein nach überstandener Insolvenz im Jahre 2000 jeden Cent, aber die Aneignung von Blocknamen auf der Haupttribüne durch Sponsoren, die Gefährdung von Zaunfahnenplätzen aufgrund zunehmender Werbebanden und die ständigen Werbedurchsagen bei Eckbällen, Toren und Spielständen gehen eindeutig zu weit. Wenn man diesbezüglich nicht eindeutig Stellung bezieht, wird die Kommerzialisierung noch viel weiter ausarten. Natürlich setzen wir uns außerdem gegen die zunehmende Repression von Fußballfans – auch außerhalb der eigenen Fanszene – zur Wehr, indem wir dies beispielsweise durch Spruchbänder bei unseren Spielen öffentlich thematisieren. Zuletzt, als mehrere Kieler Anhänger in Meppen von der Polizei krankenhausreif geschlagen wurden.

Woher kommt die Begeisterung für den VfB Oldenburg und nicht etwa für den Konkurrenten VfL?
Frank Claassen, Trainer des Bürgerfelder Gartenlaubenvereins sagte vor einem Spiel einmal, dass der VfB klar im Vorteil sei, da der VfL nur Zuschauer habe, der VfB aber richtige Fans. Genau das macht für mich den entscheidenden Unterschied aus. Als ich begann, regelmäßig zum Fußball zu gehen, war es nicht das Spiel von dem ich fasziniert war, sondern die Atmosphäre sowie das Umfeld in dem man sich befand und in das man nach und nach hinein wuchs. Man lernt beim Fußball die unterschiedlichsten Menschen kennen, die man sonst wahrscheinlich nie kennen gelernt hätte und gemeinsam trägt man akustisch und optisch seinen Teil dazu bei, um die eigene Mannschaft zu unterstützen und sich mit den gegnerischen Fans zu messen. Diesbezüglich sind wir Bürgerfelde-Süd meilenweit voraus. Dies kann man allein schon an Zuschauerzahlen festmachen: während in der laufenden Saison zu unseren Spielen bis zu 6.300 Zuschauer erschienen (10. Spieltag- Gegner war Tabellenführer Holstein Kiel) waren es bei den Grünen gerade mal 600 (33. Spieltag, Meisterschaftsspiel gegen den SC Langenhagen). Zudem ist eine Fanszene bei den Grünen ein absolut unbeschriebenes Blatt was sicherlich auf die Tradition beider Vereine zurück zu führen ist: während der VfB einst an die Bundesligatür klopfte, spielte der VfL niemals höherklassig als zum jetzigen Zeitpunkt
und zeichnete sich bislang größtenteils nur im Handball aus – dieser Zustand soll sich meinetwegen auch nicht ändern…

Die Frage auf das Ultrà-Sein könnt ihr nicht eindeutig beantworten. Welche Kriterien und Themenfelder sind für dich entscheidend, sich über dem “normalen” Fansein hinaus, für den Sport/Verein zu engagieren? Was ist für dich ein mündiger, kritischer Fan und in welchen Bereichen liegen für dich die Abgrenzungs-Unterschiede zum „normalen“ Fan („Ihr habt mit Fuß – ihr habt mit Ball – ihr habt mit Fußball nichts zu tun“), die ja von euch gewollt sind?
Der normale Fan an sich geht mit seinem Trikot ins Stadion um der Mannschaft zuzujubeln und nebenbei mit seinen Freunden das eine oder andere Bierchen zu zischen. Sein Repertoire an Gesängen ist nicht besonders groß und wenn es sportlich gerade nicht läuft, fängt er meistens an die gegnerischen Spieler oder den Schiedsrichter zu bepöbeln. Er kauft sich die Fanartikel, die der Verein ihm vorsetzt und hat kein Problem damit, sich von einem bezahlten Stadionsprecher zum singen animieren zu lassen oder an Sponsoren-Choreographien teilzunehmen. Da fängt für uns die Unmündigkeit an. Wir grenzen uns von diesem Konsumverhalten ab und wollen uns auch nicht als reine Stimmungsmacher instrumentalisieren lassen. Es ist uns wichtig, dass sich die Fanszene durch Kreativität auszeichnet, um somit zum einen die eigene Mannschaft zu motivieren und zum anderen den gegnerischen Fans etwas entgegen zu setzen. Gleichzeitig repräsentieren wir durch unsere einzigartige Kurve bzw. den Block unsere Stadt. Dies geschieht zum Beispiel durch das Erstellen von selbstgemalten Choreographien, Doppelhaltern, Schwenkern und vor allen Dingen auch durch eigene Gesänge. Leider werden diese viel zu schnell von anderen Fanszenen kopiert. Dies kann aber wieder kompensiert werden, indem man sich optisch durch selbst kreierte Klamotten (Stichwort: Gruppenshirts) und Aufkleber von anderen Fanszenen abgrenzt. Auch Streetart z.B. Tags und Graffiti sind in spielen eine Rolle. All diese eben genannten Faktoren machen auch den Unterschied zum normalen Fan aus, der sich wie anfangs beschrieben verhält und optisch nur durch das Tragen von offiziellen Fanartikeln auffällt.
Als einen kritischen, mündigen Fan würde ich mal jemanden bezeichnen, der sich darüber hinaus auch mit den Themen Kommerzialisierung, Repression gegenüber Fußballfans und Antirassismus beschäftigt und der nicht alles hinnimmt, was der eigene Verein ihm aufschwatzen möchte. Gerade eben genannte Themenfelder halte ich für besonders wichtig, da sie sonst noch viel größere und negative Ausmaße annehmen würden. Neben den weiter oben genannten Beispielen, die eigene Fanszene betreffend, halte ich es für wichtig, dass man szenenübergreifend gegen fanunfreundliche Anstoßzeiten, Stadionumbenennungen und willkürliche Stadionverbote vorgeht. Es kann z.B. nicht angehen, dass jemanden drei Jahre Stadionverbot aufgezwungen werden, nur weil diese Person bei einem Auswärtsspiel den Gästeblock mit Aufklebern verzierte. Hier sollte der Zusammenhalt zwischen den einzelnen Gruppierungen noch verstärkt und ein breites öffentliches Interesse geschaffen werden.

Es ist ein Irrglaube, dass Hooligans sich nicht um ihre Mannschaft scheren und sie den Fußball nur als Vorwand ausnutzen, um sich zu prügeln. Die Liebe zum Verein ist ein Teil ihrer „Kultur“. Wie weit geht deine Liebe zum Verein bzw. inwieweit beeinflusst dich die Kultur im Alltag?
Der von dir beschriebene Irrglaube macht auch uns Ultras häufig zu schaffen. Erzählt man im Alltag z.B. in der Schule, an der Uni oder am Arbeitsplatz einen Laien dass man regelmäßig zum Fußball geht, wird man ganz schnell in eine Schublade Fußballfans gesteckt, die sich zumeist total daneben benehmen. Wenn man sich dann von diesem Klientel distanziert und sagt man sei Ultrà bzw. ultràorientiert, wird man gleich für einen Hooligan gehalten weil Außenstehenden zumeist durch die Massenmedien ein solches Bild suggeriert wird. Es gilt dann, diese Personen darüber aufzuklären was wirklich hinter der Idee dieser (Sub)kultur steckt. Des Weiteren sollte sich jeder im Klaren sein, dass man nicht nur am Wochenende alles für seinen Verein gibt sondern sich unter der Woche bereits Gedanken darüber macht wie z.B. die Choreo am Wochenende aussehen soll.
So kann es schon mal vorkommen dass ich mich bereits am Mittwochnachmittag mit den anderen im Fanprojekt treffe und wir bis Sonntag unsere Ideen ausarbeiten – hierfür muss ich dann notfalls mehrere Nachtschichten in Kauf nehmen. Hinzu kommt dass zu jedem Heimspiel von uns auch noch ein Blockflyer erstellt werden muss. Montags vor den Heimspielen findet zudem im Fanprojekt noch die Sitzung der OFI. statt, an der sich die Vertreter zahlreicher Interessengruppen zusammensetzen, um eine Nachbetrachtung der vorangegangenen und einen Ausblick auf die nächsten Spiele vorzunehmen. Auch hier nehmen regelmäßig viele aus unserer Gruppierung teil, um unsere Standpunkte zu Vertreten. Freizeit bleibt oft eigentlich nicht viel – denn diese geht voll und ganz für die eigene Sache drauf. Und wenn dann doch ein paar freie Stunden übrig bleiben, lebt die Gruppe durch gemeinsame Aktivitäten auf wobei die Interessensschwerpunkte diesbezüglich sehr vielfältig sind. Ein Teil von uns geht gemeinsam auf Konzerte, während der andere Teil lieber einen Besuch in einer Diskothek bevorzugt. Ohnehin ist die Gruppe für die meisten deutlich mehr als ein Fanclub geworden, eher ein Freundeskreis, der über Fußball weit hinaus geht. Und natürlich ist mit Ultrà auch eine grundsätzliche Einstellung verbunden, die viele Mitglieder auch im Alltag weiterleben – z.B. durch ein konsumkritisches Verhalten.

Da ihr euch nicht als “gewaltbereit” definiert, beschränken sich eure Reaktionen auf rassistische Sprüche im Stadion auf Gegenrufe. Glaubst du, damit ausreichende Maßnahmen getroffen zu haben, Rassismus aus den Stadion zu kicken bzw. welche Aktionen sind ansonsten noch im Programm?
Ein paar Spruchbänder und Gegenrufe (z.B. bei den antiziganistischen Aufällen einiger Wilhelmshavener) reichen alleine sicherlich nicht aus, um Rassismus aus den Stadien verbannen zu können. Wir als Gruppe, ob nun alleine als Adelante oder noch besser: in Zusammenarbeit mit der OFI (die ebenfalls eine antirassistische Grundeinstellung hat) versuchen auch, den Vereinsvorstand zum Handeln zu bewegen, indem wir auf den Antirassismusparagraphen in der Stadionordnung aufmerksam machen. Auf diesem Wege könnte man die Vereinsverantwortlichen beispielsweise über rechten Lifestyle aufklären so dass diese dann dafür zu sorgen haben, dass Personen mit entsprechender Kleidung draußen bleiben. In vielen anderen Stadien wurde dies bereits durchgesetzt. Natürlich ist das nicht unproblematisch, denn der Verein könnte dies auf Gesamtpolitik übertragen (frei nach dem Motto „Football without politics“), so dass sich plötzlich auch Menschen mit Che-Guevara- oder „Good night white Pride“-Shirts vor den Stadiontoren wiederfinden. Lobens- und erwähnenswert war in dieser Saison auf jeden Fall das schnelle Handeln von Seiten des Vereins, als sich der Bezirksvorsitzende der NPD, Michael Meyer, vorm Stadion aufhielt und die berüchtigten „Schulhof CDs“ verteilte – innerhalb kürzester Zeit wurde ihn ein Platzverbot erteilt und wenn ich mich nicht täusche hat er auch ein Stadionverbot erhalten (zumindest wird er seit diesem Vorfall nicht mehr gesehen).
Ich sprach bei deiner ersten Fragestellung bereits die Jugendlichen in unserem Umfeld an. Auch diesbezüglich haben wir ein Stück weit Verantwortung zu übernehmen, indem wir ihnen dazu verhelfen, ein vorurteilsfreies Menschenbild zu entwickeln, damit sie sich gar nicht erst in irgendeiner Form rassistisch verhalten können. Darüber hinaus wollen wir mit unserem CD Sampler „The Sound of our City – Oldenburger Bands für eine freie Kurve ohne Rassismus und Diskriminierung“ einen Beitrag leisten, indem wir die Leute über rassistische Vorkommnisse beim Fußball aufklären. Auf dem CD-Rom-Teil findet sich deshalb ein Text wieder, der sich mit eben dieser Thematik auseinander setzt – zudem kommen alle teilnehmenden Bands zu Worte. Was das Thema Gewalt angeht: Grundsätzlich sind wir nicht auf der Suche nach Auseinandersetzungen, aber natürlich können wir diese auch nicht ganz ausschließen. Es ist klar, dass wir im Falle von rechten Übergriffen auch eingreifen würden.

Gibt es in Oldenburg selbst auch rechte Strömungen in den Fanclubs zu beobachten und wie geht ihr mit denen um? Welche konkreten Forderungen könnten das rechtsextremistische Erscheinungsbild im Stadion verschwinden lassen?
In den einzelnen Fanclubs bleiben rechte Rekrutierungsversuche zum Glück aus – allerdings versuchten in der vergangenen Saison immer wieder die Freien Kräfte Oldenburg in Hooligankreisen Fuß zu fassen. Diese fielen dann (z.B. im NFV-Pokalspiel in Pewsum und beim FC St. Pauli II) negativ durch das Tragen von NWA (Nationaler Widerstand Ammerland) Shirts und durch stumpfe Gesänge („Nazis raus aus dem Knast“ „Hier marschiert der Nationale Widerstand“) auf. In dieser Hinsicht ist es zum Glück gelegt, da wir zum einen eindeutig Position bezogen haben und es zum anderen selbst den Hools irgendwann zu doof geworden ist, mit Nazikadern aufzulaufen. Wie gerade schon erwähnt, hat Michael Meyer bereits versucht, den Fußball für seine Zwecke zu missbrauchen – zum Glück handelte der Verein diesbezüglich sehr schnell. Das war allerdings nicht immer so: Bis Anfang der 90er Jahre war die Fanszene als eher rechts zu verorten. So kam es Ende der 80er/ Anfang der 90er Jahre durchaus mal vor, dass sich am Zaun neben einer normalen Fanclubfahne auch eine Reichskriegsflagge wieder fand. Es gab zwischenzeitlich auch mal ein eigenes Oldenburger Hooligan-Fanzine, welches rechts von der Mitte zu verorten war. In den 90er Jahren konnte man aber dank der Gründung von Fanprojekten und Organisationen wie B.A.F.F. (Bündnis Aktiver Fußballfans – bei dem auch die Oldenburger Faninitiative Mitglied ist) rechte Ressentiments eindämmen. Das B.A.F.F. war es auch, das den Vereinen einen Forderungskatalog übergab in dem u.a. stand, dass der Vereinsvorstand eindeutig Stellung gegen rechte Umtriebe beziehen, einen entsprechenden Paragraphen aufnehmen und sich an gemeinsamen Aktionen mit den Fans beteiligen soll (seit einigen Jahren hängt bei uns im Stadion auch ein „Football unites – Racism divides“ Banner, der in Zusammenarbeit mit dem Verein entstand).
Diese Kataloge sollten vielleicht von den Fan- und Ultrágruppierungen durch weitere Forderungen ergänzt bzw. aktualisiert werden, zumal die rechten Spinner immer wieder und über neue Wege versuchen Fuß zu fassen in der Fanszene. Dies macht sich besonders bei unterklassigen, existenzbedrohten Vereinen bemerkbar, z. B. beim KFC Uerdingen: Dieser hatte aufgrund seiner Notlage zu einem Spendenaufruf gebeten, auf den die NPD sofort einging. Zum Glück reagierte der Verein recht schnell. Die so genannte Unterstützung, heißt es, sei weder gewünscht noch willkommen. Zudem distanziere man sich von der Partei und ihren Zielen. Der Betrag wurde zurück überwiesen. Ähnliches versuchte die NPD beim ebenfalls existenzbedrohten SG Wattenscheid 09, indem die Partei dazu aufrief den Verein durch Rasenpatenschaft finanziell zu unterstützen.

NPD, AN’s und Freie Kamerad-schaften benutzen den Fußballsport/den Verein, um ihre rechte Ideologie zu verbreiten. Fehlt der linken Fußballszene ein breites politisches Bündnis?
Dass es an einen breiten Bündnis fehlt, würde ich nicht sagen, schließlich hat sich beispielsweise seit der Gründung von B.A.F.F. einiges in den Stadien zum positiven verändert: Es ist gelungen Rassismus im Stadion als Thema in den Blickpunkt des Interesses zu rücken und dabei eben auch Erfolge zu erzielen. Darüber hinaus gibt es ja noch weitere Organisationen die ähnliche Ziele verfolgen: z.B. FARE (Football Against Rascism in Europe) – ein antirassistisches Netzwerk mit Partnern aus mehr als 37 Ländern. Beide Organisationen arbeiten übrigens fest miteinander zusammen. Kritisch zu betrachten an diesen Organisationen ist jedoch, dass die Kommunikation nur über halbjährliche Mitgliedsrundbriefe und jeweils 2 gemeinsamen Treffen (im Sommer und im Winter) läuft. Es dauerte zudem einige Zeit bis sich dem Bündnis auch Ultragruppierungen anschlossen, da diese zum einen erst seit Mitte der 90er Jahre existierten, sich über mehrere Jahre selbst definieren mussten und es zum anderen auch Vorbehalte ihnen gegenüber von einigen B.A.F.F. Mitgliedern gab, bis diese sich richtig mit der Thematik auseinander setzten. Im vergangenen Jahr gründete sich mit dem Alerta Network ein weiteres Bündnis, welches nun zum Großteil aus Ultragruppen besteht. Mitglieder sind unter anderem Ultrà Sankt Pauli, Schickeria München, Azzurro Düsseldorf, Filmstadtinferno Babelsberg und Nordpol Innsbruck.
Ohnehin ist die Ultraszene im Großen und Ganzen eher weniger von rechten Umtrieben betroffen, wenn man mal von einigen Negativausnahmen (z.B. Chemnitz, Cottbus) absieht. Von daher kann man sagen, dass wir uns als Fans und Ultras auf dem richtigen Weg befinden. Ein antirassistisches Grundverständnis bei den Menschen zu erzeugen erfolgt jedoch nicht von heute auf morgen – dies sollte ein gesamtgesellschaftlicher Prozess sein zu dem wir aber durch Gründungen oben genannter Bündnisse unseren Teil beitragen können…

Was mich irritiert ist, dass ihr euch nicht als politische Gruppe seht, aber theoretisch wie praktisch über die erlebnisorientierte Freizeitkultivierung hinweg Kommerzkritik, antirassistische Projekte ansetzt und eine genaue Grundsatzhaltung programmiert. Adelante entwickelt doch hochpolitische Ideen… warum so zögerlich?
In erster Linie sind wir eine Fan- bzw. ultraorientierte Gruppierung und somit keine Politgruppe, die ab und zu mal gerne zum Fußball geht. Aber wir würden uns selbst niemals als unpolitisch bezeichnen, denn der Fußball ist nun mal sehr politisch – schließlich wird das Vereinsgeschehen nicht nur von elf Spielern beeinflusst sondern auch von der Wirtschaft (in Punkto Werbeverträge, Stadionnamen, Fanartikel) von Parteien (die den Fußball für ihre eigenen Zwecke nutzen wollen) und uns selbst, die wir uns in diesem Kontext bewegen und somit niemals unpolitisch agieren können, wie es manche es gerne von sich behaupten wollen. Aber natürlich hat jedes Mitglied andere politische Ansichten, die auch weit auseinander gehen können. Insofern könnten wir in dieser Hinsicht gar nicht mit einer Stimme sprechen. Wir wollen den Fußball auch nicht unnötig politisieren. Viele Themen, die direkt oder indirekt mit Fußball zutun haben, sprechen wir aber auch an – wie wir es hinsichtlich Überwachung und Polizeigewalt bereits getan haben.

Wo ziehst du die Grenze zwischen Lokalpatriotismus und Begeisterung für den Club aus deiner Stadt und faschistischen Tendenzen hin zu nationalistischen Standards?
Sicherlich ist es schwer zu verstehen, wie man einerseits Nationalismus ablehnen kann, andererseits einen ziemlich lokalpatriotischen Standpunkt zu vertreten. Wichtig ist uns dabei in erster Linie, dass wir uns positiv mit der Stadt identifizieren, in der die meisten von uns leben, wo wir aufgewachsen sind und die wir lieben gelernt haben. Dies wollen wir durch unseren Fanblock rüberbringen und damit letztlich auch wieder die Stadt repräsentieren. Dazu gehört natürlich auch immer eine Abgrenzung von anderen, in erster Linie vom sportlichen Gegner. Sicherlich ist es eigentlich irrational, auf dieser Grundlage eine Antipathie gegen andere Städte und Vereine, und letztlich andere Menschen zu entwickeln. (z.B. gegen Meppen oder Wilhelmshaven). Aber letztlich ist Fußball ein Spiel. Und so überlegt, ist es auch irrational 22 Leuten beim Bälle treten anzufeuern. Es gehört eben alles irgendwie zu einem großen Spiel. Sofern bei der Rivalität weiterhin im Mittelpunkt steht, die entstehende Energie positiv in eigene Kreativität umzusetzen, ist das für mich ok. Falsch wäre es wohl, wenn es sich mehr und mehr darauf beschränkt, andere zu „bekämpfen“ (ob nun durch Gesänge oder sogar gewalttätig). Was Nationalismus angeht: Stolz sollte man nur auf das sein, was man auch selbst geschaffen hat. Sich hinter einem abstrakten Gebilde wie einem Nationalstaat zu verstecken, ist für mich eher traurig. Wenn aber der eigene Fanblock beim Spiel in den selbstgemalten Fahnen erstrahlt, die nächtelang vorbereitete Choreographie zu sehen ist oder die neu eingeführten Lieder gesungen werden, dann ist es ein gewisser „Patriotismus“ für die Stadt und den Verein aus meiner Sicht berechtigt, denn man ist selbst ein Teil davon.

Wie kann durch und von euch die Infrastruktur verbessert werden?
Das kommt natürlich darauf an, was man als Infrastruktur verstehen mag. Das beste Beispiel dafür, wie von Fanseiten etwas auf die Beine gestellt wird, ist wohl das Fanprojekt – inzwischen wohl der zentrale Knotenpunkt für alle Fanaktivitäten. Wir als kleine Gruppe können so etwas natürlich nicht leisten, aber es gibt durchaus auch große Ultragruppierungen, die ihre eigenen Räumlichkeiten haben. Auch die Busfahrten zu Auswärtsspielen, die die OFI organisiert, kann man wohl zur Infrastruktur zählen. Ob wir irgendwann auch einen eigenen Bus auf die Beine stellen können, ist aber wohl fraglich. Ein anderes Beispiel sind Fanzines, die von Fangruppen herausgebracht werden. Wir selbst geben seit einiger Zeit mit dem LiberO zu Heimspielen zumindest einen doppelseitigen Flyer heraus, der die Fans über Neuigkeiten und Aktivitäten informiert. Für die nähere Zukunft ist durchaus vorstellbar, dass daraus noch mehr wird.

Mit welchen Fanprojekten arbeitet ihr persönlich zusammen und welche Möglichkeiten nutzt ihr, um eine Cliquenwirtschaft zu vermeiden?
Wir besitzen das große Glück, dass wir im Gegensatz zu manch anderen Fanszenen über eigene Räumlichkeiten verfügen. Das „Fanprojekt“ in der Bahnhofstraße wird seit 1998 von der OFI angemietet und steht für allerlei Fanaktivitäten zur Verfügung. Diese Räume teilen wir uns gemeinsam mit der Oldenburger Aidshilfe und der AWO. Jeden zweiten Montag finden dort die weiter oben angesprochenen Sitzungen statt, Mittwochs ist offen für alle wo dann gelegentlich gekocht oder Fußball geguckt wird. An besagten Ort kommen die verschiedensten Leute zusammen, so dass man sich untereinander austauschen kann und vielleicht sogar die eine oder andere Aktion für das nächste Spiel planen kann. Diese werden dann meistens auch von mehreren Fangruppierungen getragen und nicht nur allein vom Adelante, so dass man nicht von einer Cliquenwirtschaft sprechen kann. Szeneübergreifend pflegt die Oldenburger Fanszene seit längerer Zeit eine Freundschaft zum RSV Göttingen 05. Auch zur Arminia aus Hannover bestehen noch Kontakte, wo wir einmal im Jahr zum „Strafraum Miliz Cup“ antreten. Wie bereits erwähnt ist die OFI Mitglied im B.A.F.F. Ansonsten bestehen natürlich auch Kontakte zu ganz anderen Szenen, auch abseits des Fußballs, allerdings beschränkt sich das auf einzelne Leute und kann nicht auf die Gruppe übertragen werden.

Kontakt:
Die Adelante Homepage liegt derzeit auf Eis, soll bald wieder aktualisiert und erneuert werden. Der Kontakt zu VFB FÜR ALLE ist dennoch richtig, da hier auch Mitglieder von ADELANTE agieren und die gleichen Räumlichkeiten in der Bahnhofstraße genutzt werden.
http://www.vfbfueralle.de