PRODUZENTEN DER FROIDE

  

P.D.F.

Die “ Produzenten der Froide ” sind eine strikt antifaschistische Oi!-Band aus Stuttgart. Die Band wurde schon anno 1992 gegründet und seit dem zigfach umbesetzt. Seit circa fünf Jahren spielt die Band in der heutigen Besetzung. Fabian (Drums), Smily (Bass), Davor (Gitarre), Karle (Gesang) und seit Sommer ´09 Flo (Gitarre2.0). War die Band anfangs nur lokal bekannt, kann die aktuelle Besetzung doch schon auf internationale Erfolge verweisen. So haben P.D.F. schon in der Türkei, Kroatien, Italien, Österreich und der Schweiz erfolgreich gerockt. Im Jahr 2010 gab es eine Tour durch die Schweiz, Italien, Frankreich und Spanien.
Basser Smily hat mir den Fragenkatalog beantwortet. Einige Antworten auf meine Fragen habe ich komplett rausgenommen, da Smily zum Ende offenbar die Lust am Schreiben verloren hatte. Dennoch schildert er seine Erfahrungen zu Grauzonen-Bands und seine Meinung zu unpolitischen Skinheads.

“Ach ja und noch was, eure scheiß Mode, die Antifa zu verteufeln und sich nach rechts zu öffnen machen wir nicht mit. Es bleibt wie es ist, Alerta Alerta Antifascista!”

Ihr habt im letzten Jahr ein Konzert in Ulm abgesagt, da ihr im Beteigeuze zusammen mit Bands wie KRAWALLBRÜDER zusammenspielen solltet. Ihr habt es vordergründig dem Generationswechsel im Beteigeuze geschuldet. Wie waren die Reaktionen in der Skinhead-Subkultur auf eurer Statement?
Wir hätten im Beteigeuze in Ulm einen Auftritt gehabt, wo dann ca. 2 Wochen später die PROLLIGANS mit den KRAWALLBRÜDERN ebenfalls auftreten sollten. Durch die in den letzten Jahren aufgekommenen Fakten über beide Bands in Bezug auf ihre Undifferenziertheit und die daraus resultierende Verelendung verschiedener Subkulturen, hat uns  veranlasst, den Veranstalter vor die Wahl zu stellen. Dieser konnte/wollte sich seinerzeit offenbar nicht wirklich entscheiden, verstand die Problematik an sich überhaupt nicht und war vertraglich gebunden, bzw. später dann mit Schadensersatzforderungen gedroht worden.
Dass wir jedenfalls dort nicht auftreten wollten und es langsam wirklich Zeit wurde noch mehr Abstand von dieser Wischi-Waschi-Szene zu gewinnen war für uns klar, und dass machten wir dann auch durch ein Statement deutlich. Nicht zur Freude aller anderen…
Reaktionen aus der Skinheadszene auf unser „Outing“ waren recht unterschiedlich.
Von „Hey cool, endlich mal einer, der das Maul aufmacht!“ bis hin zu „ihr Linksfaschisten seid doch nicht besser als Rassisten“ war eigentlich alles dabei.
Einige machten sich zu ihrer persönlichen Zeitverschwendung sogar die Mühe nach Fehlern in der Vergangenheit unsererseits zu suchen, da sie mit einiger Kritik und Fakten nicht anders umgehen, bzw. diese auch nicht widerlegen konnten. So erhoffte man sich vermutlich diese ganze Grauzonendiskussion im Keim ersticken zu lassen, um weiter fleißig von der A-Politik, in der nichts muss aber alles kann, profitieren zu können.
Es schien, als ging von da an eine Welle durch’s Land, die einige Gemüter ziemlich aufwühlte, so langsam begann der Eine oder andere dann doch auch zu verstehen, währenddessen wiederum andere aus finanziellem Interesse heraus mit sich selbst im Zwiespalt waren und die Sache lieber auf das aussetzten.

ProtagonistInnen des Milieus “Grauzone” veranstalten Konzerte in Räumlichkeiten mit linksradikaler Vergangenheit. Linke Räume sollen für rechtsoffene Positionen erobert werden. Wie kannst du ihnen das streitig machen? Mit welchen Konzepten können sie isoliert werden?
Mit mehr Konsequenz linker Bands und Veranstalter, in Bezug auf ihre Konzertpolitik könnte dem Ganzen Abhilfe geschaffen werden. Dazu sollte man aber auch wissen und erkennen. Das geht eben nur, wenn man sich mit einigen Fakten erst einmal auseinandersetzt und sich nicht nur von rein plakativem Antifaschismus täuschen lässt.
Wer Interesse am weiteren Bestehen linker Räumlichkeiten hat, sollte diesem Treiben entschieden entgegentreten.

Die extreme Rechte hat sich verändert und nutzt Subkulturen, um Fürsprecher zu finden und für Jugendliche neue Erlebniswelten zu schaffen. Beinhaltet die “Politikverdrossenheit” bei Grauzonen-Bands ein konservatives Politikverständnis (“Wir sind einfache und ehrliche Menschen, die nicht politisch handeln”), das bei Jugendlichen sehr gut ankommt?
Unserer Auffassung nach ja. Ein konservatives Politikverständnis wird bei Grauzonenbands und deren Fans immer wieder deutlich. „Das war immer so und wird auch immer so bleiben, und nichts darf sich ändern.“ Man geht eben den einfachen Weg und setzt eher auf die Konfliktvermeidung, anstatt sich gerade zu machen. Der oft vorhandene Hobbypatriotismus schafft dann die nahtlosen Übergänge nach Rechts, während andere, die dieser Indifferenz entsagen wollen, als PC-Schweine abgestempelt werden. Dass nichts muss aber alles auch kann, ist natürlich attraktiv für die extreme Rechte, die es auf dieser Ebene leicht hat, sich neues Fußvolk zu schaffen. Für die Jugend ist diese Stammtischrebellion dann eben genauso unkompliziert wie attraktiv und durch die Kommerzialisierung der Grauzone im Punk, Oi! und Hardcore auch irgendwie ein Stück weit „normal“ geworden…

„Es hat momentan eher den Anschein, dass der Grundgedanke einer Gegenkultur in vielen Bereichen durch den Kommerz und seiner Gleichgültigkeit untergeht.“

Was ist deiner Meinung nach die Motivation, überhaupt unpolitisch zu sein?
Gefaselt wird immer von dem „Sich-Nicht-Vor-Irgendwelchen-Politischen-Karren-Spannen-Lassen“, währenddessen die Realität oft anders aussieht. Wer nichts tut, macht mit, das wollen viele nicht wahrhaben. Die Motivation dafür erschließt sich mir durch die ständige Präsenz einer mittlerweile wirklich groß gewordenen Grauzone, die mit ihrer Anspruchslosigkeit frohlockt.

Die Anzahl von Neonazikonzerten nimmt ab, die Zahl “unpolitisch” gelabelter RechtsRock- oder Grauzonen-Konzerte ist hingegen signifikant gestiegen. Welche Gründe machst du dafür verantwortlich?
Da es mittlerweile nicht mehr so einfach ist offensichtliche Nazikonzerte durchzuführen, bedient man sich eben diverser Grauzonen, von denen man in vielerlei Hinsicht auch profitieren kann, um sein Programm insgeheim weiter durchzuziehen und um neue Anhängerschaften zu gewinnen.

Sicherlich benutzen viel Akteure in der Grauzone das Argument auf Selbstbestimmung, mit der sich politisch rechte Ansichten besser “verkaufen” und verorten lassen. Mensch zeigt sich immun gegen Kritik von Außen und reagiert mit eine Art Opferhaltung (“Schuld sind die anderen”). Ist der Skinheadkult eine zum Denkmal erstarrte Bewegung?
Eine zum Denkmal erstarrte Bewegung? Sicherlich nicht. Der Mensch entwickelt sich weiter und so wird sich eben auch der Skinheadkult weiterentwickeln, welcher ja eigentlich ohnehin schon sehr sensibel in Bezug auf Rechtspopulismus sein sollte, der schon so viel kaputt gemacht hat. Weite Teile der Szene sehen das aber nicht so eng. Wenn es um die Kritik dessen geht, ist scheinbar für viele das Modell „Opferhaltung-Faktenresistenz“ die einfachere Lösung.

Wer politisch interveniert, ist nicht mehr länger authentisch und handelt fremdbestimmt. So wird fleißig am eigenen Kult gebastelt und ein Rebellentum konstruiert, das keines ist. Ist OI, Punk, Hardcore überhaupt noch eine Gegenkultur?
Das man sich mittlerweile wirklich fragen, da gebe ich Dir Recht. Ich für meinen Teil kann jedenfalls keinen Zusammenhang zwischen Rebellion, oder dem „sich-gegen-etwas-auflehnen“ und dem angepassten Konservativismus herstellen. Es hat momentan eher den Anschein, dass der Grundgedanke einer Gegenkultur in vielen Bereichen durch den Kommerz und seiner Gleichgültigkeit untergeht.

Ihr habt euch ganz bewusst politisch positioniert und stellt eure Musik und Gesinnung unter das Label “Anti Fascist Rock Action”( http://afra.blogsport.de ), eine alternative Organisation und ein politisches Netzwerk. Diese Jahr gab es auch eine organisierte Busfahrt nach Marseille. Welche Eindrücke habt ihr gewonnen?
Dass man mit einer guten Crew einiges erreichen kann! Die Bustour und andere Aktionen haben viele gute Leute zusammengeschweißt.
Die extreme Rechte argumentiert und agiert heute im Argumentationsfeld neuer Öffentlichkeit, die Widersprüche zulässt aber zur Verbreitung rechtsgerichteter Inhalte führt.

Widersprüchlich erscheint, dass der rechte Musikmarkt heute international ist, sich in diesem aber antiglobalistisch positioniert wird. Welche Widersprüche hast du bei Grauzonen-Bands noch feststellen können?
Da gab es einige.  Gerade in Bezug auf S.H.A.R.P. gibt es viele Widersprüche (siehe z.B. die französische Grauzonenband „Hard Times“). So haben wohl einige vergessen, dass man Boneheads doch eigentlich aus der Szene raus haben wollte, weil man nicht mit ihnen zusammen feiern will. Da diese ganze SHARP-Symbolik heute auch all zu gern nur rein plakativ genutzt wird, verliert das Ganze mittlerweile leider an Sinn.
Im Bereich A-Politik natürlich der Widerspruch an sich, dass man einerseits weder Bock auf Links noch Rechts hat, andererseits aber dann in Fascholäden spielen und gleichzeitig linke Strukturen nutzen kann.

Seit einigen Jahren ist ein starker Radikalisierungstrend in Texten und Botschaften bestimmter Jugendkulturen zu beobachten. Welche vielfältigen Ursachen sind deiner Meinung nach verantwortlich?
Faszination am Ausbrechen aus der gesellschaftlichen Norm, Frustration und das Anders-Sein-Wollen sind -denke ich- die wesentlichen Ursachen.

Im Bereich der „Grauzonenmusik“ werden straf- und verfassungsrechtliche Grenzen von den Akteuren bewusst umgangen, beispielsweise durch das Vermeiden eindeutig extrem rechter Aussagen in Interviews oder Songs. Die Übergänge von „unpolitisch“, „patriotisch“ und „rechts“ sind fließend. Habt ihr diesen Trend auch auf euren Konzerten in Frankreich, Österreich, Schweiz, Italien… feststellen können?
Hier versucht man einigermaßen flexibel zu  bleiben. Bei all den Verwirrungen in und Anpassungsleistungen an die Mitte bleibt Rechtsextremismus dennoch vor allem eines: so plakativ wie dumm. Der Feind ist immer der “Andere”, das Andere bleibt nur bis zu einem gewissen Grad austauschbar, Schuld aber haben immer Andere.
Songtexte und öffentliche Aussagen einiger sogenannter „Grauzonenbands“ sind nicht strafrechtlich relevant, folglich gibt es für Auftrittsverbote oder Indizierungen keine Rechtsgrundlage. Für den Erhalt des demokratischen Systems ist die kritische zivilgesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit umstrittenen Bands notwendig.
Und vorbei ist auch die Zeit, als deutsche Rechtsrock-Gruppen wie STÖRKRAFT oder ENDSTUFE nur deutsche Namen hatten und auf deutsch sangen. Bemerkenswert ist schon, dass es einen Trend hin zur Amerikanisierung von Namen und Texten im deutschen Rechtsrock und gerade im Hardcore gibt, man aber zugleich in den Chor der Entrüsteten gegen Amerika einstimmt. Es gibt sogar internationale Band-Besetzungen (STOMPER 98).
Anstelle sich mit der eigenen Wertevorstellung auseinanderzusetzen, geben sich viele Bands betont unpolitisch und basteln am eigenen Kult. BETONTOD, STOMPER 98, FREI.WILD, KATEGORIE C, KRAWALLBRÜDER haben mit dem Konzept diffuser Begrifflichkeit von Abgrenzung, Ablehnung und plakativen Statements ihre Verhältnisse gerade gerückt.
Diesem Trend entgegen setzen Bands wie PRODUZENTEN DER FROIDE auf klare politische Inhalte, die unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass reflektiertes Handeln und eine antifaschistische Haltung notwendig ist, um das subkulturelle Spiegelbild der Grauzone zu entzerren. Denn dieses alternative Milieu scheint eine neue Offenheit für extrem rechte Positionen zu haben und rechte Erlebniswelten zu erschließen.

Kontakt: http://produzentenderfroi.de