N.I.C.H.T.S. 2.0

  

N.I.C.H.T.S. 2.0

Wie soll mensch heute noch protestieren, fragt sich der/die PunkrockerIn. Weil doch alles schon da war. Und alles immer weiterlebt. Aber wo es was zu sagen gibt, ist auch ein Weg: Baut die Teile neu zusammen! Nehmt den Irrsinn und lasst ihn tanzen! Setzt euch Masken auf und demaskiert den Wahnsinn. Ihr werdet sehen: Es kommt N I C H T S dabei heraus. In diesem Fall heißt das: eine furiose Show eines Frontmanns, der die Klappe verdammt nochmal nicht halten will. Denn die Bühne ist kein Sofa, das Mikrofon kein Schnarchverstärker und die Boxen sind kein Wellness-Tool. Das heißt: Fast keins. Denn zum N I C H T S gehören noch drei rätselhafte Gestalten mit Instrumenten in der Hand (Kontrabass, Elektropercussion, Gitarre), und egal wo dieses Trio herkommt: Der Groove ist dort auch zuhause. Klingt aufregend? Dann holt euch ein Ticket ins N I C H T S !
Das haben wir getan und wissen:
Dance, dance, Dekadenz. Das Kraftwerk speist musikalische Fehlfarben und elektrische Effekte ins Stromnetz, bis deine Bewegungen robotergleich zucken und der Stahlfaser-Iro elektrostatisch aufgeladen ist. Der Disco-Funke glitzert in den weit aufgerissenen Pupillen, während die monotonen Supermarktansagen das Unterbewusstsein beeinflussen und du unnützes Zeug kaufst. Einfach lächeln und genießen. Im Rausch der Sphären spielt es keine Rolle, ob du Geld hast, alleine bist oder Bock hast, in den Laden zu scheißen. Musik wie ein Echolot, Gitarrenriffs wie ein Peitschenhieb, der Rhythmus, bei dem du mit musst und im Fitness-Studio die Machos und Muskelprotze auf der Tanzfläche der Eitelkeiten mit einem entzückenden Hüfttanz wegkickst. Das Kühlwasser dampft, es qualmt und stinkt nach Schweiß und ranzigen Körperflüssigkeiten. Der minimalistische Elektro-Disco-Punk hat die nötige Betriebstemperatur erreicht und im Energiegewinnungsprozess das Raumklima verbessert und verringert den Abbau von Muskelmasse. Wer da nicht mitmacht, jammert halt weiter und ist nicht so schräg drauf wie N.I.C.H.T.S.2.0!

„Bleib in Bewegung und bewege dich!“

UNDERDOG: Von Nichts kommt NICHTS. Ihr springt ja ganz schön rum und wechselt die Spielart. Von Discobeats zu FEHLFARBEN-PUNK. Wollt ihr den modernen John Travolta und den schicken Streetpunker auf dem Dancefloor zusammenbringen und tanzen sehen?
Jonas (N.I.C.H.T.S.2.0): Wir haben oder hatten nie den Antrieb, von langer Hand geplante danceactshows zu machen. Die Sache mit dem Tanzen hat sich so ergeben, ist aber ein großer Teil jedes unserer vier Individuen. Was heißen soll, dass jeder von uns Musik nicht nur als pietistische Schöngeisterei sieht, sondern ihr auch den körperlichen Aspekt abgewinnt. Da wir vier sehr verschieden sind, ist die Mischung auch nur eine Folge unserer Persönlichkeitsmischung. Wenn sich an uns dann noch Menschen verschiedenster Prägung bereichern, erfreuen oder auch nur zum tanzen genötigt werden, ist das nur gut so.

UNDERDOG: Diese Kombination legt den Verdacht nahe, dass ihr den Generationskonflikt in den Vordergrund stellt. Lasst ihr das Erlebnismilieu auf die Faktoren Alter/Generation (und Bildung) zurückführen?
Jonas (N.I.C.H.T.S.2.0): Wir haben uns diese Frage nicht wirklich zentral gestellt. Es ist durchaus so, dass Bildung eine große Rolle spielt, sein Schaffen auszurichten. Allerdings haben auch Dieter Bohlen und Co Abitur…
Auch glaube ich nicht, dass reinhedonistischer Egoquatsch altersabhängig ist. Es gab schon immer Leute, die mehr wollten als nur Spaß und andere, die außer ihrem Spaß nicht viel im Blick hatten.

UNDERDOG: Betrachtet ihr die Generation Golf und 68er als entscheidendes Konzept für den Kampf der Lebensstile? Für welchen Kampf habt ihr euch entschieden?
Jonas (N.I.C.H.T.S.2.0):  Die 68er sind ein nicht mehr so gutes Beispiel. Viele der Damen und Herren würden, wenn sie sich heute aus der „Brille 68“ betrachten könnten, Steine aufs eigene Haupt schmeißen. Spießbürgertum ist nicht durch den Reihenhausgartenzaun und die Anzahl der Fernsehprogramme begrenzt, sondern durch den Horizont. Wenn dieser um 360 Grad und mehr gedreht wurde (z.B Horst Mahler, Otto Schily…) ist das genauso gefährlich, wie eine Ernährung, die nur auf Müsli basiert einseitig ist.
In der heutigen Welt kann jeden Moment eine neue Entscheidung zum Kampf getroffen werden oder eben nicht. Wir halten uns da ganz an unseren Terminkalender.

UNDERDOG: Elektro und Punk. Welche musikalischen Berührungspunkte haben dich für diese Spielkombination begeistern können?
David (N.I.C.H.T.S.2.0.): Für mich persönlich war das eine Entwicklung, die eher zufällig entstanden ist. Ich habe in diversen Punkbands gespielt. Über die Jahre habe ich ein paar junge Jazzer kenngelernt und wollte plötzlich Punkgeschrei auf Jazz machen. Zu Kontrabass und Gitarre haben wir dann einen Drummer gesucht und da kam das Elektropad Schlagzeug dazu. Wir hatten nie die Absicht, diesen Sound zu machen, und ich finde auch, dass, was wir  machen, kein reiner Elektro Punk ist. Keine Computer — live gespieltes Elekrodrumset, Kontrabass und  Gitarre gemischt mit  alten Analogsynthies!!!!.
Wenn mich Bands in diese Richtung beeinflusst haben, dann würde ich sagen Mediengruppe Telekommander. Ich hatte die live gesehen und war überrascht, wie erfrischend das war. Das hat mich umgehauen.

UNDERDOG: Was euch von anderen Elektrohashern unterscheidet ist der angeschlagene monotone kritische Blick auf die Umwelt. Leistung muss sich wieder lohnen, Medienterrorismus, Konsumwahn, Krisenbewältigung. Bei euch geht es um etwas. Tobt unter der Oberfläche der Gesellschaft ein neuer Kulturkampf, bei dem es um ständige Selbstverständigungskategorien geht?
Jonas (N.I.C.H.T.S.2.0): Leider tobt in unserer Gesellschaft viel zu wenig Kampf. Die einzige Ausnahme ist der Überlebenskampf der immer größer werdenden Gruppe der Menschen mit verschiedensten Problemen, die eine Teilhabe an einer immer schneller und egoistischer werdenden Gesellschaft begrenzen.
Hier ist tatsächlich die Notwendigkeit zum Kämpfen gegeben, um wieder zu sozialeren Gesellschaftsformen zu kommen. Leider ist unsere Zeit geprägt von professioneller Kommunikation, dem Marketing. Hier geht soviel Aufnahmekapazität der Menschen ungenutzt verloren, dass viele sich gar nicht mehr selbstverständigen können, weil sie von Profiverständigern schon längst subtil erschlagen worden sind.

UNDERDOG: Aha…Eure Texte sind provokante Thesen und haben einen ironischen Wortwitz. Seid ihr mediengeile NICHTSnutze, die sich gerne profilieren wollen?
Jonas (N.I.C.H.T.S.2.0):  Natürlich gehen an uns die aktuellen Medientrends nicht spurlos vorbei. So sind diese große Katalysatoren der Textschreinerei unseres Sängers David. Wir anderen sehen Medien vielleicht nicht ganz so kritisch, sind aber oft genug tierisch genervt, bis hin zum Abschaffen der Fernseher in manchen unserer Haushalte.
Durchaus benötigen Bands, die heute ein Minimum an Menschen erreichen wollen, die neuen Medien wie die Luft zum Atmen. Ohne Myspace, Facebook und Co wüsste niemand, dass es N.I.C.H.T.S.2.0. überhaupt gibt.

UNDERDOG: Für den Spaßtheoretiker Reinhard MOHR ist klar: “Die Spaßgesellschaft zeugte ihre Computerkids, und der Single wurde zum Symbol, zur Leitfigur tief greifender Veränderungen der Lebensformen” (Spiegel Nr.5 v. 31.01.2000). Stellt ihr auch fest, dass sich die Gesellschaft zunehmend entsozialisiert, sich Menschen verschließen und sich lieber mit technischen Spielereien beschäftigen, als mit dem real life auseinandersetzt. Total surrender for total success?
Jonas (N.I.C.H.T.S.2.0): Ja, in diesem Lied geht es, wie in manch anderen von Davids Texten auch,  tatsächlich um Entmenschlichung der Gesellschaft, fehlende Verbindlichkeiten in den verschiedenen Beziehungen und Einteilung der Menschen in jobbedingte „Kasten“.  Die Relevanz der Menschen wird nicht durch ihre Existenz als Individuen definiert, sondern durch die erspielten Levels im Karrierespiel.
Auf virtuelle Parallelwelten zielen wir hier aber nicht wirklich.

UNDERDOG: Warum glaubst du, hat ElectroPunk noch ein Nischendasein und wird stiefmütterlich behandelt? Da war der Daniel aber mutig, eure Platte herauszubringen, wie? Habt ihr eine bestimmte Zielgruppe, die ihr erreichen wollt?
Jonas (N.I.C.H.T.S.2.0): Puhh. Soviele Fragen auf einmal.
Komisch, dass wir uns mit unserer Nische soviel beschäftigen (müssen). Sicherlich kann man die Musik von N.I.C.H.T.S.2.0. als Elektropunk bezeichnen. Und zwar als relativ schlecht zu kommerzialisierenden. Das liegt an Ecken und Kanten, die unserer Art Musik zu machen entspringen und nicht im Management irgendeiner den wegschwimmenden Fellen hinterherhechelnden Plattenfirma geplant wurden. Eben diese Managementebenen haben doch den Bezug zur endlich gefundenen Befreiung der Musik völlig verschlafen. So unglaublich viele Bands und Künstler produzieren, vermarkten, managen sich selber. Und zwar teilweise sehr „erfolgreich“. Plattenfirmen dagegen sind Industriebetriebe, die einzig und allein der Gewinnmaximierung verschrieben sind und damit alles andere als mutig.
Kleine Firmen wie Daniels ELFENART (Anmerkung: elfenart.de ) sind da die wohltuend schnell und angenehm arbeitenden Gegenpole, arbeiten aber mit weit geringerem Budget, was viel Idealismus  auf Seiten der Band und dem Label fordert.

UNDERDOG: Die Platte wird ja ausschließlich über diverse Punk-Mailorder vertrieben?
Jonas (N.I.C.H.T.S.2.0): Richtig, aber keine Ahnung warum….Es gibt aber auch noch Plattenläden, die diese im Programm haben.

UNDERDOG: David, du als Sänger bist ja auch für die Texte verantwortlich. Sind die Texte willkürlich oder Kalkül?
David (N.I.C.H.T.S.2.0.): Ich verarbeite den täglichen Wahnsinn den ich so mitbekomme beim hören, lesen, sehen. Meine Wut muss rausgelassen werden. Das ist ein riesiger Antrieb, ich muss das machen sonst platze ich… Sozusagen als eine Art Ventil . Ein weiterer sehr großer Antrieb ist immer noch die D.I.Y Attitüde. Es ist schön zu sehen was Leute auf die Beine stellen, wenn sie nicht aufhören, an das zu glauben, was sie antreibt.

UNDERDOG: Die zunehmende Kommerzialisierung von Musik und die Band als Produkt löst immer wieder auch Kontroversen auf, gerade wenn Punkbands einen Majordeal eingehen oder sich auf große Sponsoren einlassen. Darf Punk alles?
David (N.I.C.H.T.S.2.0.): War Punk jemals selbstreflektierend? Wenn das so wäre müsste ich hinterfragen, wieso Bands wie Antiflag für EASTPAK touren oder im Rahmen der Jägermeister-Tour spielen, wieso „radikale Bands“ bei Majors gelandet sind….
Punk darf und muss plakativ sein. Das selbstkritische Reflektieren kann gerne anderen Bands überlassen werden. Ich hab nicht wirklich was dagegen. Wenn Elektropunk die Radikalität wieder zurück in die Musik bringt, finde ich das super. Die Frage lautet: Was ist Punk und ist das Radikale im Punk nicht eh schon lange nicht mehr da?

UNDERDOG: Bevor ich den Radikalenerlass aufhebe, möchte ich wissen, was ist dir wichtiger: politische Inhalte vermitteln, persönliche Statements transportieren oder die Beats im Vordergrund halten und Feierlaune versprühen?
David (N.I.C.H.T.S.2.0.): Alles zusammen dann ist es perfekt! Politische Inhalte, persönliche Statements, Beats und Feiern müssen sich ja nicht widersprechen.
Die Revolution muss tanzbar sein, oder nicht?

UNDERDOG: Da stimme ich dir zu, schließlich hatte ich früher selbst Unterricht in der Tanschule, tanze heuer aber lieber Pogo.
Mit SPUTNIK BOOSTER    gibt es ja noch eine Elektro Band in Augsburg, die aber mehr Wert auf den AMIGA-Sound legen und weniger politische Botschaften übermitteln. Habt ihr schon mal überlegt, eure Musik als Kunstprodukt zu vermarkten und euch fördern zu lassen? Naja, war nur Spaß. Aber wie wollt ihr denn nun verhindern, dass das ganze Leben eine Talentshow bleibt?
Jonas (N.I.C.H.T.S.2.0): Förderung von Seiten kommunalen Kulturmäzen-Zentums zur Sicherung von Wählerstimmen ist durchaus ein probates Mittel, um die eigenen Projekte durchführen zu können. Allerdings ging das, wahrscheinlich aufgrund der falschen „Zielgruppe“ bis jetzt an uns vorbei. In anderen Zusammenhängen und Projekten haben wir aber schon darauf zurückgegriffen. Wenn aber ein Punkt aus Standardgastspielverträgen verinnerlicht wird, rutscht man nicht in Castingshowmäßiges „Wir tun, was Ihr wollt“-Gehabe ab: Die künstlerische Umsetzung obliegt einzig und allein der Band (und darf nicht vom Veranstalter beeinflusst werden).

UNDERDOG: Was tust du für die Elektro-Szene? Produzierst du, legst du auf, machst ein Label?
David (N.I.C.H.T.S.2.0.): Die KellerKonzerte sind unser Spielplatz, um Musik in Augsburg zu veranstalten. Hier sind alle NICHTSNUTZE involviert, je nachdem, wer gerade in Augsburg ist. Im Hempels, einem schönen kleinen Kneipenkeller, veranstalten wir hier von JAZZ, über EMO Punk zu Elektro Punk und SingerSonwritern alles, was wir gut finden.
Ich persönlich betreibe mit einem Freund DUOPHONIC ( www.duophonic.de ). Eine der wenigen Firmen, die sich noch um LP Herstellung mit Mastering etc. kümmert. Hier konnten wir mit N.I.C.H.T.S.2.0. ohne Kosten den ganzen Mix der LP/MC machen und auch immer wieder Bands, die wir gut finden, fördern. Ich lege auf und möchte, dass die Menschen mehr neue, andere Musik hören, wenn sie tanzen wollen…

UNDERDOG: Cyberpunk, Electroclash, Trash-Punk, Dancepunk, Minimal Electro, Industrial, Electropunk. Welche Faktoren waren und sind für das Entstehen dieser Szenekulturen wichtig? Ist die Kommerzialisierung dieser Kulturen ein Gewinn, arbeitest du erfolgsorientiert?
David (N.I.C.H.T.S.2.0.): Etwas neues zu machen und sich abzuheben von dem was da ist… Das ist doch immer der Beginn von einer „neuen Musik“. Es kamen neue Möglichkeiten dazu, mit anderen Instrumenten Musik zu machen – sich abzugrenzen. Eine noch krassere Bühnenshow, noch härtere Beats und noch mehr in die Fresse.
Die meisten Bands, Acts, etc haben doch eine progressive Sozialisation. Sei es Punk, Jazz, Hip Hop, Techno. Die wenigsten wollen doch wirklich mit dem Strom schwimmen.
Kommerzialisierung ist ein Verlust. Da geht’s doch nur um Verkäufe, um Einheiten (was für ein bescheuerter Begriff für Tonträger). Bands gehen auf VW SoundFoundation Tour, werden gesponsert von T-Mobile… Das ist widerwärtig. Aber leider auf Grund sinkender Verkaufzahlen physikalischer Tonträger wohl oft die einzige Möglichkeit, von Musik noch leben zu können. Das ist pervers. Wenn eine Band auf der Bühne steht und dahinter ist ein riesiges Banner mit der hässlichen Fratze eines Konzerns, dem man am liebsten jegliche Legitimation zum Dasein nehmen möchte, dann ist die Subkultur am Ende.

Kontakt:
http://www.nichtsfuereuch.de/
http://www.myspace.com/nichtsfuereuch